Katrin Meier ist die erste Frau, die den Bürgerrat der Ortsbürgergemeinde St.Gallen präsidiert. Sie tut dies seit 100 Tagen. Die Ortsbürgergemeinde sei zukunftsgerichtet, sagt Meier, die das zusammen mit dem Bürgerrat künftig spürbar und erlebbar machen will.
Beim Amt für Kultur hätten Sie Gelegenheit gehabt, eine neue Publikumsbibliothek für 140 Millionen Franken zu realisieren. Ausgerechnet in dieser Zeit wechseln Sie zur Ortsbürgergemeinde. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Katrin Meier: Das Fördern und Mitgestalten einer lebenswerten Stadt, das Einstehen für eine positive gesellschaftliche Entwicklung. Ich kann verschiedene Erfahrungen und Netzwerke aus meiner vorherigen Aufgabe einbringen, zugleich ist vieles neu, das Spektrum sehr breit und betriebswirtschaftliche Aspekte haben ein grösseres Gewicht. Das reizt mich.
Was konkret fördern und gestalten die Ortsbürger in St.Gallen?
Wir fördern und gestalten ganz unterschiedliche Angebote für die Stadtbevölkerung, für Jung und Alt, von Erlebnis- und Erholungsmöglichkeiten im Grünen Ring wie Spazierwege, Feuerstellen, Biketrails und Ausflugsrestaurants über einen naturnahen Wald, kulturelle Angebote und attraktiven Wohnraum bis hin zu Angeboten für ein angenehmes und sicheres Wohnen und der Pflege im Alter. Für alle Ortsbürgerinnen und -bürger, für alteingesessene St.Gallerinnen und St.Galler ebenso wie für Familien, die erst vor einiger Zeit in die Schweiz oder nach St.Gallen zugezogen sind, ist sie zudem eine sympathische Gemeinschaft, die sich an Versammlungen und Anlässen trifft. Sie hat auch eine integrative Funktion.
Hand aufs Herz: Die Ortsbürgergemeinde ist kein Vergleich zum Amt für Kultur, das sich mit den schönen Dingen des Lebens befasst?
Die Schönheit liegt bekanntlich im Auge der Betrachterin. Das Engagement vieler Mitarbeitenden in der Ortsbürgergemeinde und ihr Einsatz für bestmögliche Leistung zu Gunsten der Stadtbevölkerung begeistern mich. Das hat mich sehr positiv überrascht. Und unsere Angebote, die teils ohnehin auch kulturelle sind, halten dem Vergleich mit der Kultur bestens stand, wenn er denn angestrengt werden soll.
Was hat die Ortsbürgergemeinde St.Gallen Schönes zu bieten?
Das Schöne beginnt beim Grundsatz der Ortsbürgergemeinde: Der Förderung der städtischen Gemeinschaft, des gesellschaftlichen Lebens in St.Gallen. Konkret nimmt es verschiedene Formen an. Ein feines Essen in einem ortsbürgerlichen Restaurant mit Blick in die Weite, sei es im «Scheitlinsbüchel», der «Falkenburg», dem «Peter und Paul», dem «Schlössli Haggen» oder auch im Restaurant Linsenbühl, Erholung in unseren naturnahen Wäldern rund um die Stadt oder das Entdecken versteckter Perlen wie der öffentlich zugängliche Ackerpark oder ein Schriftlesekurs im Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde – es gibt viel Schönes, das wir zu bieten haben.
Ortsbürgergemeinde. Das klingt stark nach Verwaltung und unsexy.
Ortsbürgerin oder Ortsbürger zu sein, soll für St.Gallerinnen und St.Galler eine Herzensangelegenheit sein. Das hat herzlich wenig mit Verwaltung zu tun. Ich sehe viel Raum für eine unabhängige, selbsttragende Organisation. Wir wirtschaften langfristig und nachhaltig für unsere Gemeinschaft, unsere Stadt und auch für unsere Geschichte.
Von der Geschichte zur Gegenwart. Das Stadthaus, das im 16. Jahrhundert gebaut wurde und in dem Sie Ihr Büro haben, steht unweit des Klosterplatzes. Dort sollen die St.Galler Festspiele nur mehr alle zwei Jahre stattfinden. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Die Ortsbürgergemeinde ist eine engagierte Partnerin und Förderin der reichhaltigen Kulturstadt St.Gallen. Wir unterstützen mehrere Institutionen regelmässig und jährlich eine Vielzahl an Projekten, vom Kunst-, Natur- und Historischen und Völkerkundemuseum über das Kulturfestival bis zu Konzert und Theater St.Gallen. Die Festspiele sind etwas einzigartig Schönes für St.Gallen. Konzert und Theater spielen in der Altstadt anspruchsvolle Opern und einmalige Tanz- und Konzertabende. Sie beleben die Stadt im Sinne der Ortsbürgergemeinde, weshalb ich die jährliche Durchführung begrüsse. Für mich persönlich sind bei offenem Fenster schon die Proben ein Genuss.
Es gibt Leute, die bezeichnen Ortsbürgergemeinden als einen «alten Zopf». Was entgegnen Sie diesen Leuten und dieser Kritik?
Eine Kernfunktion der Ortsbürgergemeinde St.Gallen ist die Einbürgerung von Zugezogenen. Wir sind politisch und konfessionell unabhängig und damit prädestiniert, die städtische Gemeinschaft zu pflegen. Das Thema ist so aktuell wie eh und je. Zugleich sind wir eine vielfältige Gruppe von Institutionen und Betrieben mit der einmaligen Möglichkeit, langfristig und nachhaltig tätig zu sein. Das ist das Plus an der Ortsbürgergemeinde: Sie ist juristisch eine Mischform einer staatlich festgelegten Spezialgemeinde ohne Steuereinnahmen einerseits und einer Unternehmensgruppe, die erwirtschafteten Gewinn gemeinnützig verwendet andererseits. Das heisst: Wir arbeiten mit unternehmerischem Gemeinsinn. Das ist alles andere als ein alter Zopf. Das ist für mich sehr zukunftsgerichtet.
Für das «Pelikan» suchen Sie gerade neue Pächter. Wie kamen die sechs Restaurants der Ortsbürgergemeinde durch die Pandemie?
Es geht unseren Restaurants so wie den anderen Restaurants in der Stadt. Sie haben herausfordernde Zeiten hinter sich und sind weiterhin stark gefordert. Aktuell läuft es für sie relativ gut, da die Pandemie sich abgeflaut hat und viele Gäste ihr Angebot zu schätzen wissen. Was hoffentlich bald wieder anziehen wird, sind Buchungen von grösseren Gruppen.
Wurde den Wirten der Pachtzins erlassen?
Wir sehen unsere Restaurants rund um die Stadt als Angebot für die Stadtbevölkerung und gestalten die Pachtbedingungen so, dass es für unsere Wirte möglich ist, im schwierigen Umfeld sinnvoll zu wirtschaften. Die Ortsbürgergemeinde hat ihnen in der ersten Phase der Pandemie deshalb zwei Monate den Pachtzins vollständig erlassen. Für den zweiten Lockdown in diesem Jahr ist unsere Pachtzinsreduktion noch nicht definitiv, wir legen sie in Abhängigkeit der Härtefallbeiträge des Kantons fest.
Die Forstwirtschaft und der Holzmarkt, in denen die Ortsbürgergemeinde tätig ist, haben mit tiefen Rundholzpreisen zu kämpfen, und auch die Geriatrische Klinik, der Alterswohnsitz Bürgerspital und die Altersresidenz Singenberg waren oder sind pandemiegeplagt. Wie läuft es denn dort momentan?
Unser engagierter Forstbetrieb arbeitet trotz herausfordernder Bedingungen rentabel. In der Geriatrischen Klinik und unseren Häusern für das Leben im Alter hat sich Covid stark ausgewirkt, es war und ist sowohl für Bewohnerinnen und Bewohner wie auch für Mitarbeitende eine Herausforderung. Wir haben aber eine gute Substanz und in unserem Kompetenzzentrum Gesundheit und Alter sind medizinische und pflegerische Kompetenzen gut kombiniert. Es gilt deshalb notwendige Anpassungen, die durch Covid an Dringlichkeit gewonnen haben, zeitnah an die Hand zu nehmen.
Die Forstwirtschaft und der Holzmarkt, in denen die Ortsbürgergemeinde tätig ist, haben mit tiefen Rundholzpreisen zu kämpfen, und auch die Geriatrische Klinik, der Alterswohnsitz Bürgerspital und die Altersresidenz Singenberg waren oder sind pandemiegeplagt. Wie läuft es denn dort momentan?
Unser engagierter Forstbetrieb arbeitet trotz herausfordernder Bedingungen rentabel. In der Geriatrischen Klinik und unseren Häusern für das Leben im Alter hat sich Covid stark ausgewirkt, es war und ist sowohl für Bewohnerinnen und Bewohner wie auch für Mitarbeitende eine Herausforderung. Wir haben aber eine gute Substanz und in unserem Kompetenzzentrum Gesundheit und Alter sind medizinische und pflegerische Kompetenzen gut kombiniert. Es gilt deshalb notwendige Anpassungen, die durch Covid an Dringlichkeit gewonnen haben, zeitnah an die Hand zu nehmen.
Sowohl Thomas Scheitlin als auch Ihr direkter Vorgänger Arno Noger politisieren aktuell im Kantonsrat. Kandidieren Sie im Frühling 2024?
Ich will nicht ausschliessen, auf kantonaler Ebene politisch tätig zu werden. Nur: Für 2024 kommt die Frage allerdings etwas gar früh.
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